Sie sagt. Er Sagt. - von Ferdinand von Schirach - 24notes
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Sie sagt. Er Sagt. – von Ferdinand von Schirach

Ferdinand von Schirach ist sicher einer der erfolgreichsten Autoren und auch Dramatikern im deutschsprachigen Raum. Hier auf 24notes habe ich bereits sein vieldiskutiertes Drama „Terror“ besprochen. Sein neustes dramatisch angelegtes Werk „Sie sagt. Er sagt.“ wurde wie viele andere seiner Werke verfilmt und lief bereits im ZDF. Der Film ist derzeit noch in der Mediathek abrufbar.

Die Banalität des Alltags…

… schreibt auch diesen Fall aus dem Leben. So zumindest oberflächlich gesehen. Schmerzliche Trennung einer Partnerschaft, das Ende einer vier Jahre lang dauernden Affäre, die beide vor ihren Ehepartnern verheimlichten. Ein letztes Mal Sex. Katharina Schlüter, Fernsehmoderatorin war daraufhin zutiefst gekränkt und behauptete, ihr Ex Partner Christian Thiede hätte sie dadurch vergewaltigt, in dem er während des Geschlechtsakts nicht von ihr abgelassen hätte obwohl sie deutlich ihren Gegenwillen ausgedrückt hätte. Im Film geht es um die Hauptverhandlung mit Vernehmungen von Zeugen und Sachverständigen, sowie den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Der Fall erweist sich als verzwickt. Wem sollte man glauben? Aussage gegen Aussage, aber bedeutet das in jedem Fall für den Angeklagten, dass er „im Zweifel zugunsten“ freigesprochen werden muss?

Anders als bei seinem Klassiker „Terror“ lässt Schirach diesmal das „Publikum“ nicht darüber abstimmen, ob es nun den Angeklagten für schuldig befindet oder nicht. Und der Autor gibt auch keine eigene Meinung dazu ab. Aus guten Gründen finde ich, denn zum einen ist das Thema Sexualstraftaten emotional sehr aufgeladen. Zum anderen soll hier keine Belehrung erfolgen.

Wozu dann noch ein Buch?

Das Buch von Ferdinand von Schirach erschien erst zwei Tage nachdem das Fernsehen den Film ausgestrahlt hatte. Im Fall eines Strafverfahrens zählt jedes kleine Detail eines Handlungsablaufs, nur so kann ein Strafurteil oder Freispruch erfolgen. Also nicht ausschließlich, weil die Konstellation „Aussage gegen Aussage“ vorliegt. Da müssen Sachverständige den Fall medizinisch und psychologisch begutachten, alle möglichen Beweismittel berücksichtigt werden. Wer also auch nur den Versuch unternehmen möchte, sich hier ein Urteil zu erlauben, der muss selbst die kleinsten Details kennen, so lange diese nicht in die Kategorie „völlig abwegig“ fallen.

So manche vermeintliche Kleinigkeit ist auch mir erst bei der Lektüre des Buchs aufgefallen. Man bekommt Einblick in die wirklich extrem schwierige und undankbare Aufgabe, hier zu einem gerechten Urteil zu kommen. Ehrlich, ich beneide keinen einzigen der in diesem Prozess Beteiligten!

Statement

Genauso wie der Autor gebe ich keine Meinung über Schuld oder Unschuld Herrn Thiedes ab. Denn darum geht es nicht. Vielmehr soll das Gerichtsdrama aufzeigen wie verflixt schwierig es ist zu einem Urteil zu kommen. Wie schwammig die Rechtslage nach unserem Gesetz bei solchen Delikten oftmals ist, und wie hauchdünn die Grenze zwischen Schuld und Unschuld sein kann. Genau darüber nachzudenken wird hier angeregt. Darum möchte ich sowohl dem Buch als auch dem Film ein Lob aussprechen, denn hier geht es um den Gerichtsalltag wie er in der Realität stattfindet – ganz anders als in leider viel zu vielen Fernsehkrimis!

Und last but not least so finde ich, wirft dieses Theaterstück eine weitere Frage auf: wie viel ist unserer Gesellschaft das Rechtsstaatsprinzip eigentlich noch wert? Wollen wir wirklich für die verbreitete Vorstellung „Bestrafung um jeden Preis als Ausdruck von Gerechtigkeit“ in Kauf nehmen, dass Ottonormalverbraucher im Zweifelsfall unter die Räder kommen kann?

 

 

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