Warum Nachhaltigkeit ein brutaler Begriff ist - 24notes
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Nachhaltigkeit

Warum Nachhaltigkeit ein brutaler Begriff ist

Es war kurz vor Weihnachten 2016, als ich in einer Radiosendung von Bayern2 eine äußerst griffige Definition des Terminus Nachhaltigkeit hörte. Zu Gast im Studio war Dr. Karl von Körber. Sein gesellschaftliches Leitbild der Nachhaltigkeit umfasst zwei Punkte:

Wir sollten uns so verhalten, dass unsere Enkel und Urenkel nicht unter unserem Verhalten leiden. Wir in den reichen Ländern sollten nicht auf Kosten der armen Länder leben.

Nachhaltigkeit spricht den Gutmenschen in uns an und fordert viel. Ich habe mir deswegen lange überlegt, ob ich dieses Thema in meinen Blog aufnehmen soll. Allein, es auszulassen war mir unmöglich. Es beinhaltet Wesentliches, von dem ich zutiefst überzeugt bin. Das große Problem ist die Konsequenz der Umsetzung: weil wir alle Menschen sind – gut und schlecht gleichzeitig, aufrichtig und hinterhältig, wissend und unwissend, konsequent und nachlässig.

Wir sagen was anderes, als wir tun.

Evi Hartmann ist Professorin für Supply Chain Management an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie schreibt auf ihrer Webseite:

Wir alle wollen gute Menschen sein. Wir wollen. Und was tun wir?

In ihrem Buch »Wie viele Sklaven halten Sie?« lesen wir schon auf dem Klappentext:

Wenn Sie Kleidung tragen, Nahrung zu sich nehmen, ein Auto fahren oder ein Smartphone haben, arbeiten derzeit ungefähr 60 Sklaven für Sie und mich. Ob wir wollen oder nicht. Und ohne dass wir das veranlasst hätten. Wie fühlen Sie sich damit?

Evi Hartmann sagt somit klar, wie es um die Konsequenz unseres Handelns steht. Und wenn es schon für den Einzelnen schier unmöglich scheint, sein Verhalten an seine Überzeugung anzupassen, wie viel schwieriger ist dies dann für ganze Bevölkerungsgruppen, Länder und Kontinente?

Die Grenzen des Wachstums

Der Club of Rome hat schon im Jahre 1972 eine Studie in Auftrag gegeben, welche die Zukunft auf globaler Ebene untersuchen sollte. Sie trug den Titel »Die Grenzen des Wachstums«. Mit einer Computersimulation, die die Faktoren Industrialisierung, Ernährung, Rohstoffreserven, Bevölkerungswachstum und Lebensraum berücksichtigte, ergaben sich schon damals wegweisende Erkenntnisse:

Die zentralen Schlussfolgerungen des Berichtes waren: Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.

Die größten Probleme – so der Bericht – werden irreparable Umweltschäden und Rohstoffmangel sein. Mit weitreichenden Auswirkungen auf die Menschheit. (Quelle: wikipedia)

Und was ist seither passiert?

Es wurde sicher viel diskutiert, relativiert, kritisiert. Fraglos waren einige Ergebnisse der Studie nicht zu 100 % richtig. Aber einen global sichtbaren Anpassungsprozess hat es nicht gegeben. Gibt es auch heute nicht. Ein Blick auf die zähen Verhandlungen zum Klimaabkommen spricht Bände.

Es wird aufgeschoben statt angepackt

Horst Köhler schreibt in einem Gastbeitrag für die Zeit:

Das erste Beispiel ist unser Klimaschutzplan selbst. Für interessierte Zeitungsleser war der Entstehungsprozess eher schmerzhaft zu beobachten, wie da ein beachtlicher Ehrgeiz der Umweltministerin in den Mühlen der Ressortabstimmung so geschliffen wurde, bis am Ende nur noch ein Plan übrig blieb, der nicht mehr ehrgeizig, sondern nur noch geizig ist – geizig an politischem Mut und echter Innovationskraft.

Klingt doch echt nachhaltig, oder? Köhler sieht seinen Artikel geopolitisch und nennt am Schluss einen Hoffnungsschimmer:

einen wirksamen Preis auf CO2, und zwar entweder durch eine Steuer oder einen wirksamen Emissionshandel.

Für eine tragfähige Vision ist dieser Gedanke vielleicht ein bisschen dünn. Meine Meinung. Wenn wir jetzt von den globalen Hoffnungen wieder auf die Ebene der Handlungsverantwortung des Einzelnen zurückgehen, finden wir jedoch leicht die Ursache für unsere Trägheit. Es liegt an einem, für uns schwer akzeptablen Prinzip: dem Verzicht.

Nur Verzicht kann uns helfen.

Verzicht auf Flugreisen, Smartphone, Tablet, Fernsehgeräte, Foto- und Videokameras, DVD-Player, Auto, Motorrad, Wohnmobil, Spülmaschine, Wäschetrockner, Föhn, Rasierapparat, Kaffeemaschine, Mikrowelle, multifunktionale Küchenmaschinen, Ski- und Snowboardfahren, Plastik, Coffee To Go, Tiefkühlpizza, Deli-Lieferservice, Erdbeeren im Winter, Fleisch, Wurst, schicke Klamotten, Kosmetik, Wohnraum, Haustiere und vieles, vieles mehr.

Nicht kein, sondern weniger, bewusster Konsum.

Verzicht fällt nicht leicht. Keinem von uns. Deswegen ist es besser, mit kleinen Schritten zu beginnen, als gar nichts zu tun. Denn das wir was tun müssen, steht außer Frage – allein unserer Kinder wegen.

Viele kleine Schritte führen zum Ziel. (Evi Hartmann)

Also setzt euch mit euren Lieben zusammen und überlegt, was ihr an eurem Konsumverhalten ändern könnt. Dass dies nicht immer ganz einfach geht, ist vollkommen klar: Ein 5-Personen-Familiendampfer aus seiner Fahrrinne zu heben ist was anderes, als ein Single-Haushalt; eine DINK-Wohngemeinschaft was anders, als ein Hartz-IV-Empfänger.
Dennoch: Jeder kann nach seinen Möglichkeiten einen positiven Beitrag leisten, zum Wohle aller.

?Nachhaltigkeit im Alltag einer Familie?

Nun ist es gut und recht, wenn ein oder beide Elternteile nach ihren Überzeugungen leben wollen. Doch wie können Prinzipien in einer Familie umgesetzt werden? Was tun, wenn nur einer von einem guten Gedanken beseelt ist? Kann er alle anderen dazu zwingen, auch danach zu „leben“?

Natürlich nicht. Jeder soll sich frei entscheiden können. Wir Eltern können nur mit gutem Beispiel vorangehen. Wie weit die Kinder folgen, ist deren Sache. Selbst das „gute Beispiel“ ist meines Erachtens nur wirklich gut, wenn es menschlich bleibt. Will heißen, mit Schwächen ausgestattet. Starres Festhalten an Prinzipien macht kaltherzig. Das darf nicht sein.

Papa spinnt mal wieder völlig.

Ich lebe daher eine offene Weltanschauung. Ich zwinge meine Kinder weder zu einer vegetarischen, nachhaltigen noch zu einer spirituellen Lebensweise. Was ich vorlebe, wird teilweise von ihnen verstanden und übernommen. In anderen Dingen höre ich nur: Papa spinnt mal wieder völlig. Ich nehm’s mit Humor.

Link-Tipp

Christof Herrmann von einfachbewusst.de schreibt über Minimalismus, Nachhaltigkeit und vegane Ernährung. Er lebt nach seinen Überzeugungen und hat kein Auto, keine riesige CD- und Büchersammlung, kein Fernseher, konsumiert kein Fastfood und unternimmt keine Fernreisen mit dem Flieger. Dafür liebt er das Wandern und beschaut und begreift die Welt mit dem ersten Schritt vor seine Haustür. In seinem Blog gibt er viele hilfreiche Tipps zur Nachhaltigkeit im Alltag.

Florian Schreckenbach und Leena Volland von nachhaltig-sein.info setzen sich für den Erhalt der Welt und der Natur ein, damit sie für unsere Kinder noch lebens- und liebenswert bleibt. Sie engagieren sich breit und geben viele Tipps, wie wir unser Verhalten verantwortungsbewusst gestalten können.

Buchempfehlung

Evi Hartmanns Buch ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Wirkungen der Globalisierung und der Moral unserer Gesellschaft.

Wie wichtig ist euch eine nachhaltige Lebensweise. Auf was verzichtet ihr?

(Foto: 24notes)

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